Kommissar Spürnase sass grübelnd vor seinem Bildschirm. „Wie ist es möglich“, fragte er sich, während er seiner französischen Bulldogge, die auf den Namen ‚Emons‘ hörte, zärtlich über das kurzgeschorene Fell strich‚ “dass zwei Rezensenten das Buch ‚Lost Place Vienna‘ so grottenschlecht finden, während die Leserin ‚gabriela‘ so davon schwärmt?“
Er knetete mit Daumen und Zeigfinger seine Unterlippe, was ein Zeichen dafür war, dass er intensiv nachdachte. Kam hier wirklich das Zwei-Drittel-Ein-Drittel-Gesetz, dass er auf der Polizeischule endlos hatte büffeln müssen, zum Tragen? Das Gesetz besagte, dass zwei Drittel der Menschheit von Neid gesteuert war, während nur ein Drittel ihr Herz in Liebe sprechen lassen konnte. Kommissar Spürnase schüttelte den Kopf. Sein Instinkt sagte, dass es in diesem Fall nicht so war. Und seine lange kriminalistische Erfahrung sagte, dass das Zwei-Drittel-Ein-Drittel-Gesetz Nonsens war. Über hundert Prozent der Menschen waren in Wirklichkeit vom Neid bestimmt, er inbegriffen. Frustriert senkte er seinen Blick auf die Tischplatte. Frustriert, weil er nicht hinter das Rätsel dieser sich widersprechenden Rezensionen kam. War es vielleicht einer dieser seltenen Fälle von echter Genialität? Genialität polarisiert zu Beginn immer. War ‚Michael Moritz‘, der Autor von ‚Lost Place Vienna‘, der neue Quentin Tarantino unter den Krimiautoren? Kommissar Spürnase legte die Stirn in tiefe Falten. „Ehrlicherweise“, dachte er sich, „kann ich das erst beurteilen, wenn ich das Buch selber gelesen habe.“ Sein Mauszeiger kreiste schon über dem ‚In den Einkaufswagen‘-Button, als ein flüchtiger Gedanke ihn davon abhielt zuzuklicken. Er wusste aus Erfahrung, dass flüchtige Gedanken zu ergiebigen Quellen führten konnten. Also folgte er einem anderen Link auf der Seite. Kurz darauf huschte ein wissendes Lächeln über sein Gesicht. Er tätschelte Emons liebevoll auf den Kopf und wusste jetzt, dass er das Buch nicht bestellen würde …
Was hatte Kommissar Spürnase im Internet gesehen?